Auf einer (ehemaligen) Hofstelle war in den 1930er Jahren an das Wohnhaus eine Scheune angebaut worden. Späterhin wurde das Grundstück real geteilt, so dass der Wohnhaus- und der Scheunenteil seither in unterschiedlichem Eigentum stehen. Im Jahre 2011 wurde die Scheune durch einen Brand stark beschädigt. Nun verlangt der Eigentümer des Wohnhauses, dass der Scheunennachbar die jetzt Witterungseinflüssen ausgesetzte ehemalige Gebäudetrennwand ertüchtigt und gerade auch vor Wärmeverlusten schützt, indem er sie dämmt. Vor dem Landgericht ist der Wohnhauseigentümer mit seiner Forderung nach Maßnahmen zur Sanierung der Gebäudetrennwand in Gänze gescheitert. Auf die Berufung hin hat das OLG den Scheunennachbarn verurteilt, die Gebäudetrennwand ausreichend gegen Witterung zu schützen, gegen Wärmeverlust zu dämmen und Feuchtigkeitsimmissionen abzuwehren. Daraufhin hat der Eigentümer des Scheunengrundstücks zunächst die Zulassung der Revision gegen das OLG-Urteil durch den BGH erstritten und setzt er sich nun vorläufig auch vor dem BGH durch. Der BGH hebt mit Urteil vom 22.01.2021 i.S. V ZR 12/19 das Urteil des OLG (soweit zum Nachteil des Scheunennachbarn ergangen) auf und gibt dem OLG auf, neu über die Berufung zu entscheiden. Die wesentliche Aussage des Urteils des BGH ist:
Nachbarn sind zwar verpflichtet, die Funktionstüchtigkeit einer gemeinsamen Giebelmauer (Nachbarwand) wiederherzustellen, wenn das auf ihrer Seite angrenzende Gebäude abbrennt. Dabei bestimmt sich der Umfang der geschuldeten Arbeiten jedoch nach dem Zustand der Nachbarwand vor dem Brand. Deshalb könne ein Wärmeschutz, also eine Wärmedämmung, nur verlangt werden, wenn und soweit diese Wärmedämmung schon vor dem Brand vorhanden war. Zwei der amtlichen Leitsätze lauten:
Wird ein Grundstück so geteilt, dass eine Giebelmauer, an die von beiden Seiten angebaut ist, auf der neuen Grundstücksgrenze steht, wird die Mauer hierdurch im Zweifel eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB.
Brennt ein an eine gemeinsame Giebelmauer (Nachbarwand) angebautes Gebäude ab, so dass die Mauer freigelegt und in ihrer Funktionstüchtigkeit als Abschlusswand des Nachbargebäudes beeinträchtigt wird, hat der Nachbar einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 analog i.V.m. § 922 Satz 3 BGB gegen den Eigentümer des von dem Brand betroffenen Grundstücks auf Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der Nachbarwand. Ob und gegebenenfalls in welchem Maß die Wand zu dämmen ist, hängt davon ab, ob und in welchem Umfang sie vor ihrer Freilegung (auch) die Funktion hatte, das Nachbargebäude vor Wärmeverlust zu schützen; dies ist nach den konkreten Umständen bei der Errichtung der Wand bzw. der Teilung des Grundstücks zu beurteilen oder gegebenenfalls nach dem Zustand, den die Wand aufgrund einer gemeinschaftlichen Ertüchtigung durch die Nachbarn zuletzt aufwies.